die geschichte des Musicals in deutschland
Vom Broadway zur deutschen Bühne
Musicals – diese populären Theaterstücke, untermalt mit mitreißendem Live-Gesang und unter anderem mit Elementen aus Operette, Drama, Revue und Varieté, erfreuen sich nun schon über viele Jahre immer höherer Beliebtheit. Hier werden Musik, Tanz und Schauspiel vereint und zu einer ganz besonderen Form der Kunst in Einklang gebracht. Eingefleischte Liebhaber und Liebhaberinnen wissen: Das allererste Musical überhaupt wird datiert auf das Jahr 1866. Mit „The Black Crook“ startete eine neue Ära im Bereich der Unterhaltung und bildete die Anfänge des heute so berühmten „Broadways“ in Amerika. Auch in Deutschland hat sich die Kunstform „Musical“ über die Zeit als fester Bestandteil in der deutschen Kulturlandschaft etabliert. Ein Rückblick:
Aller Anfang ist schwer – die ersten Schritte
Es dauerte einige Jahre, bis die ersten Musicals deutsche Luft schnuppern konnten. Während der Weimarer Republik in den 1920er Jahren kamen vermehrt amerikanische Revuen nach Berlin – also mehr als 50 Jahre nach der Premiere von „The Black Crook“. Ziel war Berlin, die Kulturmetropole, die als besonders empfänglich für neue Kunstformen galt und auch heute noch gilt. Es waren die amerikanischen Revuen und Varieté-Shows, die die ersten Berührungspunkte mit dem Musical in Deutschland möglich machten. Deutsche Kunstschaffende und Komponierende ließen sich hiervon schnell inspirieren: Sie griffen den neuen Stil auf und integrierten die zu der Zeit innovativen Elemente in ihre eigenen Arbeiten. Doch damit war das Musical, so wie wir es heute kennen, noch nicht geboren. Zu Beginn galt der Erfolg sogenannten „Operetten-Musicals“, die sich bereits an der Mischung aus Gesang und Schauspiel bedienten. Allerdings währte die Glanzstunde dieser Kunstform nicht lang. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde sie unterdrückt: Durch Schreib- und Spielverbote zerstörten sie fast alle kreativen Ansätze und Traditionen, die während der Weimarer Republik aufgebaut worden waren. Viele Komponisten waren Juden, sodass sie keine Chance hatten, ihre Stücke zu veröffentlichen, und amerikanische Kultur wurde zudem als minderwertig angesehen. Der Aufstieg des Musicals kam vorerst zum Erliegen.
Ein kultureller Neuanfang
Zum Glück fanden populäre internationale Produktionen in der Nachkriegszeit der 1950er Jahre ihren Weg zurück nach Deutschland. Unter anderem geschah dies durch die US-amerikanische Besatzung. My Fair Lady, West Side Story – wer kennt sie nicht, die Klassiker? Sie zogen schon damals zahlreiche Besucher und Besucherinnen an und etablierten das Musical in Deutschland somit als eigenständige Kunstform. Durch die Übertragung der Highlights im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wuchs die Reichweite und der Kreis der Zuschauenden nahm stetig zu. Amerikanische Einflüsse wurden zu der Zeit von der deutschen Gesellschaft als äußerst positiv gewertet, sodass dies die Akzeptanz des Musicals im Volk vereinfachte und weiter förderte.
Die Musical-Boomjahre: 1980er & 1990er Jahre
Der Produzent Friedrich Kurz brachte 1986 Andrew Lloyd Webbers berühmten Klassiker nach Hamburg auf die Bühne und machte es so zu einem Massenphänomen. Er bereitete der „Perle“ somit den Weg zur Musical-Stadt, was sie bis heute erfolgreich geblieben ist.
Um die 1990er Jahre herum bildeten sich nicht nur in der Hafenstadt und in Stuttgart die ersten großen Musicaltheater, auch in Bochum entstand das Starlight Express Theater. Durch diese gezielte Ausrichtung konnte der kommerzielle Erfolg weiterwachsen. Die Qualität der Produktionen nahm zu, Musicals wie Das Phantom der Oper wurden vom Publikum gefeiert und trugen zur Professionalisierung der Branche bei. Erste Kooperationen entstanden und internationale Lizenzrechte wurden mit großen Produktionsfirmen ausgehandelt. Der Zugang zu erfolgreichen Broadway-Shows wurde so für die deutsche Masse deutlich erleichtert.
Gegenwart und Zukunft
Über die Zeit entwickelten deutsche Produktionen immer mehr eigene Musicals, die nicht nur nationalen, sondern ebenso internationalen Erfolg feierten und feiern. Dazu zählen beispielsweise Ich war noch niemals in New York oder Elisabeth.
Heutzutage hat sich die Musicalbranche in Deutschland zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt – mit spezialisierten Ausbildungsprogrammen und hoher Produktionsqualität. Das ist allerdings kein Grund, sich auf dem Erfolg auszuruhen: Die Qualität und Kreativität der Produktionen müssen weiterhin ausgebaut werden. Angesichts steigender Streamingalternativen und zunehmender Konkurrenz sind Musicals dazu gezwungen, sich immer wieder neu zu erfinden, weitere Zielgruppen zu erschließen und frischen Wind in die Aufführungen zu bringen. Doch gerade das macht die Branche so vielseitig und spannend.
Deutschland als wichtiger Musical-Standort
Es ist nicht zu leugnen: Seit den frühen, eher experimentellen Anfängen über den Nachkriegsboom bis hin zur heutigen Etablierung als Kulturhighlight hat das Musical eine beeindruckende Entwicklung in Deutschland durchlaufen. Die Themen sind dabei vielschichtig: Lädt eine Show vordergründig zum Berieseln und Abschalten ein, hält die nächste der Gesellschaft ungeniert den Spiegel vor und reflektiert soziale Veränderungen. Mit seinen kreativen Eigenproduktionen und hohem künstlerischen Anspruch kann Deutschland auch weiterhin zur weltweiten Musicalszene beitragen – und als innovativer Standort wirken.
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